LIONS Engagement für eine gerechtere und friedlichere Welt

Königstein Soziales 20.03.2019 KW Nr. 12 vom 20.03.2019

Königstein (kw) – Wenn am 30. März im Kempinski Hotel in Falkenstein der traditionelle Königsteiner Frühlingsball stattfindet, geht es den LIONS auch darum, finanzielle Mittel für die zahlreichen Förderprojekte zu generieren, die seit Jahren unterstützt werden. Aber neben der finanziellen Förderung engagieren sich die LIONS auch durch ihr gesellschaftliches Engagement für Verständigung, Gerechtigkeit und Frieden. Dr. Martin Kasper ist ehrenamtlicher Vorstand von Childaid Network und selbst seit mehr als 15 Jahren LIONS Mitglied. In seinem Impulsbeitrag für die diesjährige Festschrift „Initiative fördern“ spannt er den weiten Bogen zwischen Königstein und der globalisierten Welt – und zeigt, dass Toleranz, Solidarität und Zusammenhalt in einer multikulturellen, veränderten Welt wichtiger sind als jemals zuvor.

Pater Werenfried als Botschafter
Königstein wurde weltweit durch die Organisation „Kirche in Not“ berühmt. Ihr Gründer ist der niederländische Pater Werenfried van Straaten, bekannt auch als „Speckpater“. Er hat in den Hungerwintern nach dem Krieg tatkräftig mittellosen und verzweifelten Vertriebenen mit Essensspenden der holländischen Bauern Mut gemacht. Wichtiger noch, mit seiner 1947 in Königstein gegründeten Organisation predigte er Versöhnung zwischen verfeindeten Völkern und half so, Kriegsfolgen, Zwietracht und Hass in Mitteleuropa abzubauen. Später förderte „Kirche in Not“ Hilfsprojekte auf der ganzen Welt, um Armut und Unrecht zu beseitigen. Dass meine Generation – anders als alle vorhergehenden – keinen Krieg in Europa erleben musste, ist auch den vielen Männern und Frauen wie Pater Werenfried zu verdanken, die trotz ihrer grässlichen Erlebnisse im Nachkriegseuropa Solidarität, Verständigung und Kooperation lebten und beförderten.

Multikulturelle Wurzeln
Die Geschichte Königsteins ist geprägt von der Lage an wichtigen internationalen Handelsrouten. Zu klein, um alleine zu herrschen, wurde es von wechselnden Machthabern unterworfen. Viele kulturelle Spuren sind davon noch sichtbar. Besonders nach dem zweiten Weltkrieg wurde Königstein zu einem Schmelztiegel der Nationen. Wir alle kennen Nachbarn, die nach dem Krieg als Vertriebene in Königstein eine neue Heimat fanden. Aber wussten Sie, dass mehr als ein Drittel der Schüler am Taunusgymnasium Eltern hat, die nicht in Deutschland geboren wurden? Wir alle profitieren davon bei internationalen Festen, durch abwechslungsreiche Kultur und viele Arbeitsplatzangebote. Auch in den Vereinen und Organisationen, die internationale Freundschaft fördern oder – wie „Kirche in Not“ und Childaid Network – internationale Projekte begleiten, sind wir mit der Welt vernetzt.

Globalisierung als Bereicherung
Die Globalisierung vollzog sich parallel überall in Europa. Sie ermöglichte uns weltweite Vernetzung, stetig steigenden Wohlstand und Frieden über Jahrzehnte. Für uns ist es ganz selbstverständlich geworden, beim Italiener oder Inder zu essen, im lokalen Anzeigenblatt englische Seiten oder in der Schule bilingualen Unterricht zu finden, als Nachbarn Menschen mit fremden Wurzeln zu haben – und selber für den Urlaub ins Ausland zu reisen. Ich finde das bereichernd, und ich hoffe, die meisten stimmen mir zu.

Welt im Wandel
Voll Sorge beobachte ich, dass diese weltoffene Grundhaltung vielerorts erodiert. Wir erleben, dass Menschen, die Mauern bauen wollen und Abschottung predigen, viel Zulauf bekommen. Als Selbstverständlichkeit angesehene Bündnisse beginnen zu zerfallen. Waren im Schengen-Raum die Grenzen kaum mehr erkennbar, so muss man nun bei der Einreise aus Österreich manchmal wieder lange warten. Ein neues Wettrüsten zeichnet sich ab. Sie glauben, diese Veränderung passiert nur anderswo? Wir dürfen die Augen davor nicht verschließen, dass es auch bei uns zunehmend Indizien für Fremdenfeindlichkeit und Ausgrenzung gibt und der Einfluss von Radikalen und Populisten zunimmt. Die ehemalige amerikanische Außenministerin Madeleine Albright, selber eine Jüdin, die aus Europa fliehen musste, beschreibt in ihrem jüngsten Buch „Faschismus, eine Warnung“ dieses Wiedererstarken antidemokratischer, repressiver und zerstörerischer Kräfte. Ihre detaillierte Analyse zeigt, wie soziale Ungerechtigkeiten und Umbrüche im Wirtschaftsleben Unfrieden schürten und Populisten und Nationalisten die Steigbügel hielten. Und sie warnt vor einer Wiederholung. Das sollte uns zu denken geben.

Auswirkungen globaler Vernetzung
Lassen Sie mich exemplarisch eine Situation in den Projektgebieten von Childaid Network beschreiben, deren Folgen uns nach meiner festen Überzeugung bald alle betreffen werden, wenn wir nicht gemeinsam nach Lösungen streben. In Bangladesch leben derzeit 180 Millionen Menschen auf einer Fläche so groß wie Bayern, die meisten von ihnen nur wenig über dem Meeresspiegel. Vor dem steigenden Wasser – auch Folge des Klimawandels – flüchten heute schon Millionen in die Nachbarstaaten, so auch immer wieder Zehntausende nach Assam (Nordostindien). Aus Furcht vor Überfremdung hat die neue nationalistische Regierung in Indien 2018 vier Millionen Menschen zu Staatenlosen ohne Rechte erklärt, obwohl viele schon seit einigen Generationen dort leben. Dies ist ein Pulverfass, das in der Dimension noch gravierender sein kann als die ähnlich strukturierte Flüchtlingskatastrophe, die die Rohingyas im Süden Bangladeschs betrifft. Sicherlich haben Sie dies in den Medien verfolgt. Doch die Welt schaut nicht hin.

Unsere Aufgabe
Wir alle möchten vermeiden, dass wir in nicht allzu ferner Zukunft unsere Grenzen mit Waffengewalt vor Flüchtlingsströmen aus Afrika oder Asien verteidigen müssen, wie letzthin ein LIONS-Freund orakelte. Dafür müssen wir an Lösungen mitwirken, die die Migrationsursachen an der Wurzel aushebeln. Nicht nur aus einer sozialen Grundhaltung heraus, sondern auch aus ureigenem Interesse ist es notwendig, den Menschen in den Schwemmebenen von Brahmaputra und Ganges und anderswo eine hinreichende Lebensgrundlage zu verschaffen, die die Folgen des Klimawandels übersteht und ihnen ermöglicht, in ihrer Heimat zu bleiben. Ob wir es wollen oder nicht, die Welt ist ein Dorf geworden, wo wir nur zusammen oder gar nicht überleben werden. Weltweit stehen wir LIONS für Toleranz, Solidarität und Zusammenhalt. Durch unsere Initiativen wirken wir Tendenzen des gesellschaftlichen Auseinanderdriftens entgegen. Wir setzen uns ein für Integration, Verständigung und sozialen Ausgleich – hier und überall. Wir bitten Sie alle, mit Ihren Möglichkeiten dazu beizutragen, so dass es eine gute und friedvolle Zukunft auch für unsere Kinder geben wird.

Dr. Martin Kasper